Brauchen wir für jede Änderung am Markt Suchmaschinenoptimierung? Oder vernachlässigen wir dabei den Leser und potentiellen Käufer dabei? In diesem Artikel möchte ich ein paar Punkte aufzeigen, die mich momentan – erneut – an der SEO-Doktrin vieler Online Marketer stören.
Quicklink: → SEO. Nicht um jeden Preis #1
SEO Tutorial / Wissenswertes. In den letzten Wochen habe ich als leidenschaftlicher SEO wieder mal massenhaft mit Kopfschütteln und Facepalms reagieren müssen. Egal, ob es die Bestätigung des Rankingfaktors von verschlüsselten Seiten oder die Massenaussendungen von Unnatürlich eingehenden Links war…
… Wenn wir ehrlich sind, überraschen uns Experten (ich reihe mich mal in die nichtdefinierte Gilde ein) so einige Sachen nicht mehr, was Google treibt. Google will dem Suchenden ein optimales und möglichst natürliches Suchergebnis mit den am Besten passenden Antworten auf die jeweils eingetippte Frage geben, damit unsere Fragen so gut und so professionell wie möglich beantwortet werden.
Geiles SEO vs. erzwungenes SEO
Dem entgegen stehen die Suchmaschinenoptimierer und Online Marketer, deren Aufgaben es sind, die eigene Website oder Seiten der Kunden zu bestimmten Suchbegriffen möglichst nahe an die Topposition zu hieven. Und viele, sehr viele dieser Helden springen wohl auf jeden Zug auf, wenn es dem eigenen Ziel nützt bzw. ab, wenn es den eigenen Zielen schadet.
Leider… ist das Ziel in vielen Fällen eben NICHT, dem Suchenden ein optimales Suchergebnis zu seiner Anfrage zu liefern. Sondern, sein eigenes Produkt oder Dienstleistung möglichst erfolgreich zu verkaufen.
Dabei versucht man nach außen kommunizierend, immer Whitehat SEO zu betreiben. Und am Ende stellt sich heraus, es ist doch Creepy Crap. Fließbandarbeit, wie ich es gerne nenne.
Liebe Suchmaschinenoptimierer-Kollegen: Haben wir das wirklich nötig? Ja sagt anscheinend sehr häufig die Firma, aber wenn ihr schon einige Jahre dabei seid, dann sagt euch euer Herz – nicht der Verstand – dass es anders gehen sollte. Oder?
Regeln sind scheiße bei der Suchmaschinenoptimierung
Das ist so ein Grundsatzpunkt, den ich vermitteln will. Wenn man feste Kennzahlen – speziell für Dritte – in regelmäßigen Abständen leisten muss, ist das nicht gut. Dazu gehören meiner Meinung nach:
1. Fixe Anzahl von greifbaren Zielen
Habe ich als Vorgabe, eine bestimmte Anzahl von bestimmten Leistungen in einem Monat zu generieren, so werde ich mich zwangsläufig früher oder später in einer schlechten Situation befinden. Und wenn diese Situation eintrifft – sagen wir mal, dass ich wenige oder keine guten Kontaktpartner in einem Monat kennengelernt habe – dann muss ich auf niedrige Qualität umsteigen, um die Kennzahlen zu erreichen.
Wenn das passiert, bin ich aber gezwungen etwas zu leisten von dem ich von vorneherein weiß, dass es bei einem nächsten Update oder einer Massenabstrafung wie durch das → hoppsgehenlassen von Linknetzwerken wie Teliad und Rankseller problematisch werden wird. Ich verschlimmere praktisch die Situation in der Zukunft, nur damit die Kennzahlen in der Gegenwart stimmen (Anzahl Backlinks, Anzahl geleisteter Content-Marketing-Artikel, Anzahl von Social Media Aktivitäten).
Deswegen mein Appell: Versuchen, variable Leistungen zu bringen (und bei Vermarktung das auch so zu verkaufen). Alternativ kann man ja Leistungen vorarbeiten oder durch andere Leistungen kompensieren. Aber zu sagen, jeden Monat genau X Links oder Artikel zu schreiben, ist einfach scheiße und wird früher oder später dann auch so von Google bewertet.
2. Relativ fixe Anzahl von Wortvorgaben
Gerade im Content Marketing und im Bereich des Blogartikel-Schreibens finde ich ähnliche Muster vor, die nach einem Schema ablaufen. So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Fließbandarbeit. Es wird in den seltensten Fällen an den Leser direkt gedacht – egal ob auf einem fremden Blog oder gar auf der eigenen Website.
Dabei geht es mir vor allem um die Mindestlänge von Artikeln. Was soll der Scheiß, hier eine Regel festzusetzen?
300 Worte musst du schreiben, hieß es vor einem Jahr. Jetzt kommt die Meldung von OnlineMarketing.de → 1.000 gegen 2.000 Wörter – Wie Content besser performt, dass Artikel mit ca. 1.600 Wörtern am Besten performen. Und ich sehe jetzt schon, dass am Montag in vielen Firmen und Agenturen die Ansage kommt, sich an den Kennzahlen zu orientieren. Dazu habe ich folgende Probleme:
- Wird wieder nicht an den Leser gedacht, sondern nur an kurzfristiges SEO.
- Es würde erneut ein Muster erzeugen, was sehr leicht für Google identifizierbar wäre.
- Es gibt Branchen, bei denen weitaus weniger oder weitaus mehr Wörter beim Content Marketing notwendig bzw. natürlich wären.
- Mit fixer Wortanzahl als Ziel erzeuge ich praktisch immer nur unsinnigen Content, weil:
- Erzeuge ich zu wenig Content weil 1.600 Worte nicht ausreichen, befriedige ich die Anfrage des Lesers nicht.
- Erzeuge ich mit 1.600 Wörtern viel zuviel Content, schreibe ich nur Blablubb-Crap, den keiner liest.
- Redakteure und Content Manager haben häufig gar keine Zeit für tieferer Recherchen und
- erzeugen genau deswegen nur begrenzt wissenswerte Inhalte, die den Leser wirklich befriedigen.
- lassen sie selbst an ihrer eigenen Arbeit zweifeln, was auf Dauer zu noch schlechterem Content führt.
Deswegen bin ich gar kein Freund von festgelegten Wörtern auf Webseiten und Artikeln. Denn sie spannen die Kreativität der Schreiber und damit auch das Endprodukt, sehr geilen Content zu generieren, maßgeblich ein.
Guter Content zeichnet sich dadurch aus, dass er die Suchanfrage vollständig befriedigt und in sich abgeschlossen ist. Dabei ist es völlig unrelevant, alle Informationen in einen Artikel zu packen. Querverweise und Links zu Seiten, die einen Abschnitt näher erläutern, sind häufig für den Leser interessanter, als alles auf einmal wissen zu wollen. Intern wie auch extern.
Allerdings reichen 300 Worte bei Weitem nicht aus, um auch nur irgendwie in eine Tiefe zu gehen, wenn man nicht auf andere mediale Inhalte (Bildergalerien, Videos) im gleichen Artikel zurückgreift.
Mein Appell sozusagen: Artikel und Inhalte immer fertigschreiben und in sich schlüssig abschließen, unabhängig von der Wortlänge oder anderen Vorgaben. Und wenn einem das in einem Zeitraum nicht ganz gelingt, dann im nächsten Zeitraum den Inhalt einfach ergänzen, anstelle immer neue und noch neuere Artikel separat zu schreiben.
3. HTTPS und SSL als Rankingfaktor
Ich muss sagen, dass mich der Rankingfaktor von verschlüsselten Seiten in den letzen Wochen psychisch mehr als erschöpft hat. Kaum hat +John Mueller von Google den Rankingfaktor bestätigt, springen alle SEOs und sogar Kunden auf einen neuen Zug auf, der die Größe einer Modelleisenbahn hat. SSL ist das Zauberwort, damit gewinnst du Rankings, heißt es.
Für jene, die auf den Zug aufgesprungen sind und jetzt wie blöde SSL-Verschlüsselungen kaufen:
Tatsächlich ist der Rankingfaktor erstens relativ gering im Bezug zu anderen Faktoren. Zweitens wird mal wieder nur an den Rankingfaktor gedacht, nicht aber an den Leser. Und drittens ist mit Einführung von HTTP 2.0 im September (zumindest inoffiziell und logisch gedacht) der Rankingfaktor ohnehin wertlos, da alle Seiten mit einem Schlag automatisch verschlüsselt übertragen würden.
Zwar bedeutet (jetzt vor HTTP 2.0) SSL auch eine deutliche Erhöhung der Geschwindigkeit (wenn es auf SPDY-Basis von Google verwendet wird), was den Leser am Ende erfreut. Und die Verschlüsselung stellt sicher, dass man sich auf der Seite auch sorglos bewegen kann. Aber wer das nur des Rankingfaktors wegen macht, der sollte ganz dringend seine SEO-Strategien überdenken.
SSL und HTTPS ist nicht für SEO da! SSL und HTTPS sind dafür da, dass der Leser sich frei bewegen kann und dabei vor Raub seiner Daten geschützt ist. Mehr aber auch nicht. Punkt.
4. Die Scheuklappenmethode im SEO-Bereich
Gerade im deutschsprachigen Raum scheint es – aus welchen Gründen auch immer – eine Art Doktrin zu sein, möglichst viel dem Leser selbst zu vermitteln. Andere Quellen, die vielleicht sogar noch besser und tiefer auf Thematiken eingehen können, scheinen sozusagen mit Absicht und aus Pseudo-SEO-Gründen oder aus dem Grunde, der Besucher ist dann nicht mehr auf meiner Seite, nicht gerne verlinkt zu werden. Der User muss auf meiner Seite bleiben, koste es (keinen Link), was es wolle.
Was für mich am Bullshit-Faktor kaum zu übertreffen ist.
Warum muss ich schlechter das wiederholen, was andere hundertfach besser und mit Belegen für ihre Thesen beschrieben haben? Warum kann ich sie nicht einfach verlinken und muss mir irgendwas aus dem Finger saugen von dem ich nicht einmal weiß, ob ich das geklaute Gedankengut auch richtig interpretiert habe?
Auch die Verlinkung zu Seiten, die nur indirekt Konkurrenz darstellen könnten, werden aggressiv vermieden. Warum?
Kann ich die Seiten nicht einfach verlinken? Vielleicht reagiert die verlinkte Seite bzw. deren Webmaster ja und erwähnt mich auf der entsprechenden Seite oder in einem neuen Artikel.
Was spräche denn dann dagegen? Ich erwähne jemanden sehr positiv. Dann stehe ich als Nachfrager für einen Backlink doch in einer idealen Position, das der verlinkte Seitenbetreiber kaum ablehnen kann.
Querverweise in meinem Blog:
- SEO Frage/Antwort: Sind reziproke Links schlecht?
- SEO: 5 Tipps, wie man wirklich gute Backlinks bekommt
5. Der Untergang von WDF*IDF bei begrenzter Bedeutung für den Leser
Zugegeben, diese Überschrift ist etwas hart formuliert. Sie bezeichnet aber etwas, was ich für die nächsten Jahre voraussehe. WDF*IDF ist in unserer heutigen Zeit auch noch einer der Begriffe im SEO schlechthin, wenn es um die Analyse der eigenen Website, der Analyse einer Keyword-Kombination geht. Am Ende stehe ich dem Ganzen sehr skeptisch gegenüber.
Für heute, für morgen und auch vielleicht noch in zwei Jahren scheint das Modell aufzugehen. Man schaut sich einfach an, welche Terme und latent semantischen Begriffe zu einem Keyword passen und baut sie einfach in die Website mit ein. Dagegen hat auch niemand etwas, auch nicht Google, wenn der Gesamtinhalt an sich leserlich und für den Leser benutzerfreundlich bleibt. Es kann also kurz bis auch langfristig Sinn machen, die Formel so einfach zu verwenden.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass gerade im OnPage-Bereich auf vielen Websites diese Formel pervertiert verwendet wird. Wie in den Punkten 1 bis 4 wird auch hier nicht an den Leser gedacht, sondern nur an das eigene Ranking, um was auch immer zu verkaufen oder zu promoten.
Auch wenn man vermeintlich an langfristige Strategien denkt, so sind diese Strategien nach meiner Meinung nach eher als kurz- und mittelfristig erfolgreich einzuordnen.
Mein Appell wäre, einfach echt geilen Content zu schaffen. Der muss nicht auf ein Keyword und/oder mehrere Phrasen basieren. Macht einfach sehr geile Sachen. Die Links kommen dann von alleine. Und Besucher via Social Media dann auch. Und dann brauche ich auch kaum noch Adwords, denn wenn ich geile Sachen mache, mögen mich die Leute auch. Auch ganz ohne WDF*IDF.
Warum ich dagegen bin
Ich bin der nur logischen Meinung, dass Google und andere Suchmaschinen sich immer weiter darin versuchen werden, die möglichst passende Antwort auf die jeweilige Frage zu geben – ob eingetippt oder per Sprache eingesprochen. Dementsprechend müssen mit der Zeit alle manipulativen Maßnahmen mit der Zeit verschwinden oder zu einem absoluten Minimum reduziert werden.
Entsprechend bin ich ein Mensch, der versucht, sehr langfristig zu denken. Deshalb halte ich gar nichts von Kennzahlen wie Links oder Wortanzahlen oder geleisteten Anzahlen von Artikeln, wenn diese dem Leser nicht viel bringen.
Zwar bevorzuge auch ich die Umstellung auf sichere Verschlüsselungen, aber dass SEOs das nur aufgrund des Rankingfaktors machen, lässt mich – gelinde gesagt – etwas im Strahl kotzen.
Wenn ich geiles SEO machen will, muss ich doch in erster Linie auch an denjenigen denken, der am Ende das liest, was ich fabriziert habe. Und das muss eben auch den Leser begeistern. Sonst kann ich es gleich bleiben lassen.
Das ist mein Statement für heute. Vielleicht bis du ja auch meiner Meinung – oder auch nicht? Freue mich auf Kommentare und (konstruktive) Rückmeldungen. 🙂
Lese hier mehr:
Auf nBlogs für mehr geilen Input:
- SEO. Nicht um jeden Preis! #1
- SEO: 5 Tipps, wie man wirklich gute Backlinks bekommt
- SEO Frage/Antwort: Sind reziproke Links schlecht?
- Responsive Content – der Weg ins SEO Web 3.0?
- SEO: Backlinks kaufen – eine gute Idee?
Weitere geile SEO-Inhalte zum Thema im Netz:
Hey Pascal, ein schöner Artikel mal wieder.
Im Prinzip hast du mit deinem letzten Statement alles gesagt, was es zum Thema SEO zu sagen gibt: Für den Website-Besucher optimieren.
Vor allem finde ich es aber schön, dass ich nicht alleine mit der Meinung stehe, dass der Linkgeiz einfach nur veraltet und Bullshit ist.
Applaus dafür!
Sehr guter Artikel der viele Punkte passend trifft. Linkgeiz nervt, das ist aber meiner Meinung nach eher nur ein typisch deutsches Problem, wirklich sehr nervig. Zu dem Thema WDF*IDF: Ganz ehrlich, auch wenn wir ein eigenes WDF*IDF Tool bei uns integriert haben, habe ich das bislang nie dazu genutzt Artikel so zu schreiben wie es mir das Tool die Vorschläge auswirft, sondern nur die Keywords im Artikel genutzt auf die ich selber im Moment des Artikelschreibens nicht gekommen bin. Ich sehe es grundsätzlich bei allen SEO Tools so: Nutze die Daten und Analysen eines SEO Tools, aber schalte immer Dein Hirn ein um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und nicht strikt nach „Vorgaben“ des Tools zu arbeiten, wenn es dir vorgibt der Link sei schlecht, der Content zu kurz etc.